Gegen die Schliesssung des PZM

Argumentarium - gegen die Schliessung des Psychiatriezentrums in Männedorf (PZM)

Die Schliessung der tagesklinischen und beratenden Dienste im PZM und die Umwandlung der verbleibenden Angebote in eine psychiatrische Gruppenpraxis sind nicht einfach nur ein unternehmerischer Entscheid der Clienia. Sie hat Auswirkungen auf das gemeinsame Verständnis von psychiatrischer Versorgung.

 

Sozialpsychiatrie
Clienia und Gesundheitsdirektor reduzieren Sozialpsychiatrie auf nicht weiter umschriebene spezialisierte Angebote, die zentralisiert angeboten werden können. Sie vergessen, dass Sozialpsychiatrie nicht einfach aus ein paar speziellen Angeboten wie Sozialberatung oder Familienbegleitung besteht. Sozialpsychiatrie geht von einem ganzheitlichen, dreifachen bio-psycho-sozialen Ansatz aus. Dies verlangt nach vernetzten, interdisziplinären, gemeindenahen Angeboten. Die geplante Neuorganisation vermag dem nicht zu genügen. Sie macht es ganzen Gruppen von Patientinnen und Patienten unmöglich, die für sie notwendige Hilfe aufzusuchen. Für Menschen mit hohem Bedarf an professionellen Hilfestellungen stellen längere Anfahrtswege, oft erschwert durch mehrmaliges Umsteigen, ein schier unüberwindbares Hindernis dar.

 

Die Anfänge des PZM
Das PZM wurde auf Initiative von zwei Chefärzten im damaligen Schlössli und Kreisspital gegründet. In unterschiedlicher Form mitbeteiligt waren die Klinik Hohenegg und der Verein für Sozialpsychiatrie ZO (heute Noveos). Ziel war der einfache Zugang zu multiprofessioneller Hilfe und die gegenseitige institutionelle Unterstützung. Die Erfahrungen hatten gezeigt, dass die bestehenden ambulanten psychiatrischen Angebote in Wetzikon, Uster und Zürich zu weit weg waren. Das PZM entwickelte sich zu einer im Bezirk Meilen und darüber hinaus anerkannten Organisation. Heute soll aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen das vielseitige Zentrum organisatorisch zu einer primär ärztlichen Gruppenpraxis umgebaut werden.

 

Das Gesundheitswesen ist kein Markt
Ursache für die angekündigten Neuerungen ist nicht die Tatsache, dass Clienia eine private Institution ist, Grund dafür ist der Umstand, dass der Gesundheitsdirektor und mit ihm viele andere das Gesundheitswesen als Markt, als Geschäft verstehen, das durch Konkurrenz belebt wird. Kostenkritische Leistungen werden verlagert und zentralisiert. Auf der Strecke bleiben die Bedürfnisse jener, die sich nicht als Kundinnen und Kunden das passgenaue Angebot aussuchen können, sondern schlicht auf elementare professionelle Hilfe angewiesen sind, die gemeindenahe niederschwellig zugänglich ist – eben sozialpsychiatrisch.
Gesundheitsdirektor, Verwaltung und die Politik auf verschiedenen Ebenen müssen endlich anerkennen – was sie im Geheimen längst wissen – dass das Gesundheitswesen kein Markt ist, der sich selbst reguliert, sondern in erster Linie ein Gemeingut, ein Solidarwerk darstellt, an dem alle beteiligt sind. Die Gesundheitsversorgung lässt sich effektiv (gute Leistung bei begrenzten Mitteln) aber nicht effizient (grösstmöglicher Gewinn bei kleinstmöglichem Aufwand) gestalten.

 

Tarife und Belegung
Es wird auch von der Gesundheitsdirektion nicht bestritten, dass die Tarife für Tageskliniken und verschiedene ambulante Leistungen seit Jahren nicht mehr kostendeckend sind. Die GD will das Problem über die Auslastung lösen und behauptet, die 80-prozentige Auslastung der Tageskliniken belege, dass der Bedarf zu hoch eingeschätzt wurde und eine Konzentration, die zu einer kostendeckenden Finanzierung führe, gerechtfertigt sei. Das ist schlicht irreführend. Vorhalteleistungen, die sich nicht auszahlen, sind unvermeidlich, Beziehungsarbeit ist tarifresistent und einfache Zugänglichkeit für alle kann nicht gratis sein.
Die Realität zeigt, dass für tagesklinische Angebote – bedingt durch Schwankungen in der Nachfrage, Halbtagesaufenthalte und die Fluktuation – die Belegung nicht das entscheidende Kriterium sein kann. Diese sagt wenig aus über den Bedarf. Entscheidender ist die Erreichbarkeit. Vergleiche mit stationären Angeboten sind nicht angebracht. Statt Druck auf die Institutionen und damit auf die PatientInnen zu machen, sollte sich die GD zusammen mit den betroffenen Institutionen endlich für eine bessere Tarifierung einsetzen.

 

Clienia
Die Geschichte der heutigen Clienia über fünf Generationen ist beeindruckend und verlangt Respekt. Sie ist aber auch eine Verpflichtung. Über Jahrzehnte haben Tausende das Werk auf vielfältige Weise unterstützt, haben sich (früher oft zu sehr bescheidenen Löhnen oder als Diakonissen) engagiert und damit eine gute Behandlung und Pflege/Begleitung möglich gemacht und zum heutigen fachlichen Renommee und wirtschaftlichen Wohlstand der Klinik beigetragen. Es darf erwartet werden, dass die Klinik bereit ist, sich für die Erhaltung eines dringend notwendigen, aktuell wirtschaftlich nicht rentablen Angebotes zu engagieren.

 

Zukunftsszenarien
Notwendig sind über die aktuelle Situation hinaus Veränderungen in mindestens drei Richtungen.
• Es braucht ein Finanzierungssystem, das der Komplexität von Krankheit und Gesundheit gerecht wird. Das heisst nicht einfach mehr Geld, sondern vernünftige, transparente und kostendeckende Geldflüsse, die keine Quersubventionierung durch Privatversicherte brauchen.

• Die GD muss offen kommunizieren, dass sie als Grundlage für eine gemeinde- und damit patientennahe Versorgung noch zu den Grundsätzen des kantonalen Psychiatriekonzeptes steht.

• Drittens muss die Bindung des Gesundheitswesens an das Gemeinwohl auf allen Ebenen wieder stärker in den Vordergrund gerückt werden (was zu Gründungszeiten auch bei privaten Werken völlig unbestritten war).
Damit wäre der Weg frei für eine weitere erfolgreiche Führung des PZ in Männedorf.

 

SP Uetikon am See
12.02.2018